„Rezepturnahe“ ERP-Systeme für eine durchgängige Informationslogistik in der Nahrungsmittelindustrie

yaveon-logoHersteller von Nahrungsmitteln, Inhaltsstoffen und Zwischenprodukten haben oftmals noch Insellösungen in Form von spezialisierten MES-Systemen für Labor, Produktion und Entwicklung im Einsatz, die – wenn überhaupt – über Schnittstellen mit dem ERP-System kommunizieren. Die Fähigkeit zur Spezialisierung steht im Widerspruch zur direkten Verknüpfung von Informationen, die notwendig sind, Entscheidungen fundiert und schnell treffen zu können. ERP-Systeme haben sich inzwischen zu Alleskönnern entwickelt: Sie begleiten, steuern und regeln die gesamte Wertschöpfung eines Unternehmens über alle Geschäftsprozesse. Damit dringen sie zwangsläufig in die Domäne früherer Insellösungen ein und lösen diese ab.

Am Beispiel eines umfassenden ERP-Systems für einen Fruchtzubereiter soll gezeigt werden, welche Vorteile sich einem Unternehmen bei der Bewältigung der Rezepturentwicklung und bei einer nicht-deterministischen Produktion in prozessform bieten, wenn diese Inseln in einem integrierten System abgelöst werden.

Ein Fruchtzubereiter z.B. verarbeitet natürliche Rohstoffe (Früchte und Gemüse), die naturgemäß in unterschiedlichen Qualitäten und Quantitäten vorliegen. Diese sollen durch Umwandlungs- und Mischprozesse zu genau definierten Produkten für die Lebensmittelindustrie verarbeitet werden. Das sind beispielsweise Fruchtsaftkonzentrate für Getränkehersteller oder Fruchtzubereitungen für die Eis- oder Backwarenindustrie. Für sämtliche Produkte gibt es Rezepturen, welche in Anweisungen für die Produktion münden.

Mithilfe des Rezeptursystems wird u.a. ermittelt, ob eine Rezeptur auf Basis der Inhaltsstoffe ihrer Bestandteile zumindest theoretisch-mathematisch die internen oder externen (d.h. vom Kunden vorgegebenen) Spezifikationen einhält. Solange dieses System unabhängig vom ERP-System arbeitet müssen Stammdaten und Chargeninformationen bei einem externen System über Schnittstellen mit dem ERP-System ausgetauscht werden. Der Produktentwickler arbeitet somit in zwei Systemen. Auswertungen und Verknüpfung von Informationen sind nur eingeschränkt möglich oder müssen aufwendig über ein Drittsystem hergestellt werden.

Ein integriertes System macht externe MES überflüssig
Ist das Rezepturverwaltungssystem in das ERP integriert, können nicht nur die Daten aus anderen Bereichen des ERP-Systems wie z.B. Kalkulation und Chargeninformation verwendet, sondern auch weitergehende Strukturen und Konzepte des ERP-Systems zur Bewältigung von Aufgaben des MES genutzt werden. So zum Beispiel zur Abbildung eines flexiblen, frei konfigurierbaren Formel- und damit Know-how-Managements für die Produktentwicklung durch Merkmale.

Durch ein integriertes System werden die Prozesse des Vertriebs und der Produktentwicklung mittels elektronischer Workflows von der Kundenanfrage, der Machbarkeitsanalyse über die ersten Muster bis zur Auftrags-Produktion und dem Produktlebenszyklus- und Änderungsmanagement verknüpft, gesteuert und dokumentiert. Dabei kann zur Vorkalkulation der Entwicklungs-Rezeptur bereits auf Real-Daten des ERP-Systems (Einstandspreise) zugegriffen werden.

Nicht nur die Produktentwicklung profitiert von der Integration, denn Daten aus der Rezeptur können im Labor bei der Prüfplanerstellung übernommen werden.

Desweiteren werden Produktinformationen und Spezifikationen auf Basis der Daten aus Produktentwicklung und Labor quasi per Knopfdruck erstellt und stehen aufgrund der Integration dem Ein- und Verkauf sowie der Produktion zur Verfügung, was nicht nur wiederholte Dateneingaben reduziert sondern auch Fehler.

passiert das mit wenigen Clicks. Die so entstandene Herstellvorschrift erbt die Rezepturbestandteile aber auch die (idealen) Annahmen aus der Produktentwicklung über Anteile und Wirkstoffgehalt sowie Kundenvorgaben (beispielsweise den Fruchtgehalt) und muss nur noch um die Anlagen und Maschinen der Produktion sowie Texte erweitert werden (Arbeitsplan).

Mit diesem Arbeitsplatz erfolgt komplett integriert die schnelle Anlage von Fertigungsaufträgen und damit die Steuerung der Verarbeitung von Rohware zu Halbfabrikaten bis zur Abfüllung im Tank. Dabei stehen zum Beispiel zur Zeit der Apfelernte ab September die Pressen kaum still. Auch hier ist der gesamte Prozess vom Apfel – den eventuell ein Bauer aus der Umgebung abliefert – bis zum Konzentrat komplett von der Eingangswägung, der Bezahlung des Lieferanten durch Überweisung oder Naturaltausch (Saft) bis zur Tankabfüllung integriert. Es gibt keine Systemwechsel und Systemübergänge in dieser intelligenten Produktion.

Die Zuteilung der Mengen der Einzelkomponenten findet für Fertigungsaufträge, die über einen einfachen Zustandswechsel des Rohstoffes hinausgehen, im integrierten „Mischrechner“ statt.

Dieses meist graphische Cockpit verwendet die Informationen aus der Produktentwicklung, um – ausgehend von den auf Lager vorhandenen Chargen der Roh- und Halbfabrikate sowie weiterer Komponenten – für einen Produktionsauftrag jeweils die Menge einer Charge vorzuschlagen, die notwendig ist, um den Ziel-Wirkstoffgehalt der Komponente und somit über alle Komponenten die spezifizierten Grenzen des Endproduktes zu erreichen. Diese Mengen können bei verschiedenen Chargen eines Rohstoffes unterschiedlich sein; in Abhängigkeit von beispielsweise dem Brixwert benötigt man von Charge A mehr als von Charge B. Das geht soweit, dass das System den Vorschlag auf Knopfdruck für alle Bestandteile der Rezeptur erzeugen kann.

Automatisiert erfolgt die Reservierung der Chargen für die Kommissionierung oder die Anzeige aktueller Prüfergebnisse aus dem Labor oder die der letzten Lieferungen an den Kunden. Ein Chargenkonzept mit durchgängiger Chargenrückverfolgung und Statusverwaltung (Freigabe/Sperre/etc. über Regeln) durch alle Produktionsstufen vom Ursprung zum Erzeugnis oder umgekehrt inklusive der Verwaltung von Tanks, Containern / Leihgebinde sowie verschiedenen weiteren Verpackungen sorgt für Transparenz.

Die wichtigsten Produktions- und logistischen Prozesse werden dabei mit Scannern und Waagen unterstützt, deren Bedienung und Masken ebenfalls direkt im ERP-System integriert sind.

ERP und MES in einem System
Die Informationslogistik eines Unternehmens muss alle Aspekte der Produktion und der Warenwirtschaft vereinen. ERP-Systeme können heute weit mehr als nur den Materialfluss und den Wertefluss darstellen. ERP-Systeme für die Lebensmittelindustrie integrieren die Spezialisten für die Rezepturerstellung, Produktionsoptimierung und Laborinformationen.

Das erleichtert gerade dem Mittelstand tatsächlich auf durchgängige Geschäftsprozesse zu setzen, da die Lieferanten bei der Einführung die Kenntnisse von MES und ERP in sich vereinigen.

Der Nutzen steigt bei einem standortübergreifenden Einsatz noch beträchtlich, da so eine echte Supply Chain auf qualitätsbezogene Merkmale und der direkte Austausch von Herstellvorschriften möglich sind.

Christian Heims, Consultant bei YAVEON AG

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